H. F. Rupp (Hg.): Schloss Maienfeld und seine Fresken

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Titel
Schloss Maienfeld und seine Fresken.


Herausgeber
Rupp, Horst F.
Erschienen
Lindenberg i. Allgäu 2020: Kunstverlag Josef Fink
Anzahl Seiten
128 S.
von
Armand Baeriswyl, Ressort Mittelalterarchäologie und Bauforschung, Archäologischer Dienst des Kantons Bern

Schloss Maienfeld im gleichnamigen Städtchen ist eine Ausnahme in der reichhaltigen Burgenlandschaft Graubündens. Sie ist keine Höhenburg auf unzugänglichen Felsrippen, sondern eine Stadtburg, die am Rand einer hochwassersicheren Niederterrasse am Ostufer der Rheins errichtet wurde, an einem seit römischer Zeit bestehenden Verkehrsknotenpunkt.
Auslöser für die Publikation war die Beschäftigung des Herausgebers und Autors Horst F. Rupp mit den Werken des sogenannten Waltensburger Meisters. Dieser Notname steht für einen Künstler und seine Werkstatt, die in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts verschiedene Kirchen Graubündens mit Wandmalereien schmückten. Im Turm des Schlosses Maienfeld gibt es Fresken, die diesem Meister oder seinem Umfeld zugeschrieben werden. Aus der Bitte des Schlossbesitzers an Herrn Rupp um eine Expertise zu den Fresken entwickelte sich ein Forschungsprojekt, an dem der Architekturhistoriker und Burgenforscher Thomas Biller sowie ein Team des Archäologischen Dienstes des Kantons Graubünden (ADG) mit Monika Oberhänsli, Mathias Seifert und Christoph Walder mitwirkten.
Der Text zur Baugeschichte des Schlosses stammt von Thomas Biller, ergänzt durch einen Beitrag des ADG zur dendrochronologischen Untersuchung des Turms. Das Schloss wurde während der Bündner Wirren 1624 zerstört und blieb bis ins mittlere 19. Jahrhundert eine Ruine. Der heutige Zustand ist geprägt durch Wiederherstellungen und Neubauten im 19. und 20. Jahrhundert. Die Baugeschichte der Anlage als Ganzes ist daher beim aktuellen Zustand der Gebäude nur in Form von Hypothesen nachzuvollziehen. Zu vieles ist verändert und ein Grossteil der Wände und Mauern sind verputzt und können nicht analysiert werden.
Das wichtigste erhaltene mittelalterliche bauliche Element des Schlosses ist der ursprünglich fünfgeschossige Wohnturm. Dank der Forschungen des ADG ist er dendrochronologisch datiert: Der Baum, aus dem der Balken für den originalen Kamin im dritten Obergeschoss gefertigt worden war, war im Frühling 1247 gefällt worden. Im frühen 14. Jahrhundert wurde das damals oberste Stockwerk als Repräsentationsgeschoss mit Wandmalereien ausgestattet. Die heutige Einteilung in drei Räume stammt aus dem 19. Jahrhundert, es muss aber schon zur Zeit der malerischen Ausstattung eine Unterteilung durch Fachwerkwände gegeben haben. Damals bestand die Westhälfte des Geschosses gemäss Biller aus einem Raum mit drei Fensternischen, die sich nach aussen wohl in Form von Biforen bildeten. Er interpretiert diesen Raum mit seinen Fresken als «kleinen Sommer¬saal». Ein kleinerer, mit figürlichen Szenen ausgemalter Raum in der Südostecke hatte zwei Fensternischen; das Fenster nach Süden war wohl als Triforium ausgestaltet. Der dritte Raum in der Nordostecke ist als ebenfalls ausgemaltes Treppenhaus bzw. Vorraum zu interpretieren.
Die Burg des mittleren 13. Jahrhunderts bestand möglicherweise nur aus dem Wohnturm mit eng geführter Ringmauer. Wesentlich ausgebaut als Residenz für Graf Friedrich VII. von Toggenburg wurde die Anlage zwischen 1394 und 1436. Der Turm wurde um ein Geschoss aufgestockt und einem Zinnenkranz versehen. Ebenfalls damals entstanden der südseitige Wohnbau mit der Kapelle und die Ringmauer. Etwas später im 15. Jahrhundert folgten das «Alte Schloss» östlich des Wohnturms und der Mauerzwinger. Das Alter des Gebäudes westlich des Turms ist unbekannt. Innenausbauten des 16. und frühen 17. Jahrhunderts sind anzunehmen, fielen aber wie das ganze Schloss 1624 einem Brand zum Opfer.
Der Artikel über die Fresken aus der Feder von Horst F. Rupp beginnt mit einer kurzen Besitzergeschichte des Schlosses. Auf die ab dem mittleren 13. Jahrhundert fassbaren Herren von Aspermont folgten 1342–1355 die Meier von Windegg, 1355–1436 die Grafen von Toggenburg und 1437–1509 Herren von Brandis. Seit 1509 gehörte das Schloss den Gemeinen Drei Bünden und diente als Landvogteisitz.
Es war – wie so oft – Johann Rudolf Rahn, der als erster auf die Fresken aufmerksam machte. Die Frage der Urheberschaft wurde von Anfang an diskutiert, wobei fast immer die Werkstatt des Waltensburger Meisters im Fokus stand. Einzig Florian Hitz postulierte 2015 einen Churer Maler namens Berchtold, der nicht mit dem Waltensburger Meister identisch sei, als Urheber. Die Fresken sind leider seit Jahrzehnten in einem schlechten Zustand und harren aus Gründen, die nicht erläutert werden, der Restaurierung.

Die Fresken bestehen zum einen aus sogenannter Quadermalerei, also einer Scheinmalerei, die vorgibt, die Wände würden aus Quadern bestehen, teilweise graue Hausteinquader mit weissen Fugen, teilweise farbige Quader mit bunter Marmorierung, die oben mit einem gemalten Zinnenkranz abschliessen. Die Malerei im Raum im Südosten hingegen ist figürlich. Der Autor stellt die Figurenszenen einzeln vor, mit Fotos und mit Umzeichnungen, die er dem Werk von Alfons Raimann von 1985 zur gotischen Wandmalerei in Graubünden entnommen hat. Das ikonografische Programm ist schwierig zu deuten, zu viele Darstellungen, die sich an den verschwundenen Binnenwänden befunden haben dürften, fehlen. Generell geht es um die ritterliche Tapferkeit, Mut und Stärke sowie die ritterliche Minne, mit Darstellungen der höfischen Welt, der germanischen Sagenwelt und Szenen aus dem Leben von Simson aus dem Alten Testament. Zusammenfassend ist ein Zyklus anzunehmen, der der Repräsentation ebenso diente wie der Unterhaltung und der Belehrung. Der Autor geht auch der Frage des Künstlers nach. Die Maltechnik und die Quadermalerei sprechen für den Waltensburger Meister, gegen ihn die Tatsache, dass dieser bislang nur aus sakralen Zusammenhängen bekannt ist. Rupp kommt trotzdem zum Schluss, dass nach Abwägung aller Argumente die Fresken dem Waltensburger Meister bzw. seiner Werkstatt zuzuweisen sind – wobei er sich der Hypothese von Hitz nicht vollständig verschliessen will.
Ab und zu fallen Diskrepanzen zwischen Biller und Rupp auf: So spricht Rupp vom «Bergfried», obwohl es sich klar um einen Wohnturm handelt. Ausserdem nimmt Rupp für das Turmgeschoss mit den Fresken im Gegensatz zu Biller eine Geschosseinteilung in vier Räume an und unterteilt den von Biller postulierten Sommersaal.
Die handliche Publikation stellt die ältere Baugeschichte dieser interessanten Burg auf ein sicheres Fundament. Thomas Biller zeigt in gewohnt souveräner Art und Weise die Möglichkeiten und Grenzen einer beobachtenden Bauautopsie ohne Eingriffe in die Substanz und formuliert eine nachvollziehbare Bauentwicklung der herrschaftlichen Anlage bis zu ihrer Zerstörung im Jahr 1624. Ein Glücksfall ist die dank einer dendrochronologischen Untersuchung durch den ADG sichere Datierung des Turms ins mittlere 13. Jahrhundert. Auch die Darstellung der Wandmalerei durch Horst F. Rupp umfasst trotz seiner Knappheit die Forschungsgeschichte, das vollständige Bildprogramm und deren Ikonografie und Deutung. Er stützt sich dabei auf die bestehenden Arbeiten von Johann Rudolf Rahn, Erwin Poeschel, Alfons Raimann und die Akten eines von Rupp 2014 organisierten Symposions zum Waltensburger Meister. Rupps Darstellung führt bei der Frage der Urheberschaft zu keinen neuen Antworten. Die einzige Tatsache, die für Rupp gegen den Waltensburger Meister spricht, dass dieser Künstler sonst nur sakrale Themen gemalt hat, ist auch deswegen etwas zu relativieren, weil Wandmalereien des 14. Jahrhunderts aus profanen Kontexten selten erhalten sind, und wenn, dann meist aus städtischen Wohnbauten und eben Stadtburgen. Auch aus diesem Grund sind die Fresken ein erstrangiges Kunstwerk, dem man eine baldige und nachhaltige und Konservierung wünscht.

Zitierweise:
Baeriswyl, Armand: Rezension zu: Rupp, Horst F. (Hg.): Schloss Maienfeld und seine Fresken, Lindenberg i. Allgäu 2020. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 115, 2021, S. 467-469. Online: <https://doi.org/10.24894/2673-3641.00100>

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